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Personalentwicklung im Kontext einer dynamischen Arbeitswelt

von Julia Theiler

Personalentwicklung im Kontext einer dynamischen Arbeitswelt

Die Zunahme von technologischer und organisatorischer Komplexität von Arbeit hat zur Folge, dass Tätigkeiten, die Kreativität, soziale Intelligenz und analytische Fähigkeiten sowie die Fähigkeit zur Reflexion erfordern, verstärkt an Bedeutung gewinnen. Zukünftig reicht umfangreiches Fachwissen alleine nicht mehr aus, um solche Arbeitsprozesse zu bewältigen. Vielmehr werden Kompetenzbündel benötigt, die es ermöglichen, in der Praxis auftretende Herausforderungen selbstorganisiert zu lösen und zu managen. Doch wie lassen sich diese Kompetenzbündel fördern und wie lässt sich Personalentwicklung im Kontext einer dynamischen Arbeitswelt effizient gestalten?

Weiterbildungen fürs Personalwesen

Im Personalwesen laufen die Fäden zusammen: angefangen vom Recruiting, über das Onboarding, die Abrechnung, die Personalentwicklung und Weiterbildung bis hin zur Begleitung bei der Beendigung von Arbeitsverhältnissen sind die Dienstleistungen der „Personaler“ stets das Bindeglied zwischen Mitarbeitenden und dem Unternehmen.

Kompetenzorientierung als Schlüssel einer effizienten Personalentwicklung

Der Blickwinkel auf die Methodik der Personalentwicklung hat sich durch den Wechsel von einer Qualifikations- zu einer Kompetenzdiskussion geändert. Ausgehend von der Qualifikationsentwicklung verlaufen die betrieblichen Lernprozesse nach einer Input-Output-Didaktik, also nach einem linearen Vermittlungsprozess. Dem Lernenden wird dabei eine passiv-rezeptive Rolle zugewiesen und die Lernziele werden meist extern, z. B. durch Führungskräfte und/oder Personalabteilung, bestimmt.

Grafik berufliche Handlungskompetenz

Grafik (c) Britta Beutnagel

Im Fokus einer effizienten Personalentwicklung steht die Förderung der beruflichen Handlungskompetenz. Unter Kompetenzen werden Fähigkeiten, Fertigkeiten sowie Kenntnisse, Wissen und Wertvorstellungen verstanden, die ein Leben lang weiterentwickelt werden. Berufliche Handlungskompetenz setzt sich aus verschiedenen Teilkompetenzen zusammen: Fach-, Sozial-, Personal- und Methodenkompetenz (siehe Abbildung). Herausfordernd für die Personalentwicklung ist die Tatsache, dass Kompetenzentwicklung nur durch das Subjekt selbst

stattfinden kann, d. h. Kompetenzen können nicht vermittelt werden, sondern es kann lediglich ein Rahmen (Strukturen, Prozesse, Ressourcen) geschaffen werden, innerhalb dessen jede einzelne Mitarbeiterin und jeder einzelne Mitarbeiter aus sich selbst heraus Kompetenzen entwickelt. Voraussetzend hierfür ist Motivation und Volition (Willenskraft, die Motivation in Handlung zu überführen) der Beschäftigten. Liegen diese nicht vor, da beispielsweise der Sinn oder der Nutzen der Kompetenzentwicklung nicht deutlich wird, dann kann Lernwiderstand die Folge sein.

Um die Kompetenzentwicklung betrieblich rahmen zu können, bietet sich die Implementierung und Gestaltung eines ganzheitlichen Lernprozesses an. Unter ganzheitlichem Lernen wird ein Prozess verstanden, welcher die Möglichkeit zur Entwicklung von Selbstständigkeit, Kooperation und Kommunikation bietet sowie Aufgabenvielfalt, Vollständigkeit der Arbeitsaufgaben, Transparenz und Beeinflussbarkeit der Arbeitsinhalte vorsieht. Ganzheitliche Lernprozesse implizieren, dass Lernende zum einen eigene Lernziele setzen und zum anderen ihr eigenes Lerntempo beachten. Dadurch sind externe Zeit- und Zielvorgaben begrenzt möglich. Hinsichtlich der unterschiedlichen Lerntempi entsteht „Ungleichzeitigkeit“ innerhalb eines Unternehmens. Aufgabe des Managements ist es, Strukturen zu bilden, welche die unterschiedlichen Geschwindigkeiten im Lernprozess ihrer Beschäftigten berücksichtigen.

Neben der betrieblichen Ausbildungsarbeit, der Kompetenzbedarfsermittlung, der Weiterbildungsplanung und -durchführung sowie des Talentmanagements, Outplace-Managements und Onboarding zählen auch die lernförderliche Arbeitsgestaltung und das Bildungscontrolling zu den Aufgaben der Personalentwicklung. Zudem werden das Innovations- und das Wissensmanagement der Personalentwicklung zugeordnet.

Kompetenzorientierte Personalentwicklung heißt auch, den Lernort Betrieb bewusst zu gestalten

Der Lernort Betrieb bietet Möglichkeiten zur Entwicklung von (Schlüssel-)Kompetenzen, die wesentlich für eine komplexe, digitale und dynamische Arbeits- und Lebenswelt sind. Gerade problemlösendes Denken, eine Balance zwischen Ausdauer und Flexibilität, Resilienz sowie Ambiguitätstoleranz, Team- und Kommunikationsfähigkeit lassen sich im Kontext der Arbeit besonders gut entwickeln: Arbeit ist durch explizite und implizite Strukturen und Routinen geprägt. Zudem stehen nur bestimmte und begrenzte Ressourcen (Zeit, Arbeitsmittel, etc.) zur Bewältigung von Arbeitsanforderungen zur Verfügung und es gibt in der Regel Vorgaben, die von den Beschäftigten einzuhalten sind. Die Mitarbeiterin und der Mitarbeiter muss die teils in der betrieblichen Praxis vorherrschenden Widersprüchlichkeiten in Strukturen, Ressourcen und Zielvorgaben ausgleichen und individuelle Handlungsstrategien entwickeln, die auf der jeweiligen beruflichen Handlungskompetenz aufbauen.

Bei der Gestaltung betrieblicher Strukturen, die die Entwicklung von Kompetenzen anregen, ist die reflexive Verknüpfung von formellen (organisiertes Lernen) und informellen Lernprozessen (Lernen über Erfahrung) zu berücksichtigen. Reflektiert z. B. eine Arbeitnehmerin ihre Erfahrungen aus der Bewältigung einer bestimmten Arbeitshandlung mit ihrem abstrakten Wissen (z. B. gewonnen durch Recherche in Fachzeitschriften oder im Internet), können neues Wissen, neue Fähigkeiten und Fertigkeiten entstehen. Das Erfahrungswissen, welches beim learning by doing gesammelt wurde, verbleibt nicht implizit, sondern die Arbeitnehmerin kann ihr Erfahrungswissen durch die reflexive Verknüpfung abstrahieren und auf neue Arbeitssituationen transferieren.

Zum Lernen gehört jedoch auch Entlernen, d. h., dass sich in manchen Situationen die Mitarbeiterin / der Mitarbeiter bewusst entscheiden muss, bisher Gelerntes nicht mehr anzuwenden, um neue Sichtweisen und Lerninhalte in sich aufnehmen und Kompetenz entwickeln zu können. Erfolgt dieses bewusste Entlernen nicht, kommt es in der betrieblichen Praxis oft zu Lern- und Handlungswiderständen.

Zentral für eine kompetenzförderliche Arbeitsstruktur ist die Schaffung einer individuellen Balance zwischen Routine und kreativen Arbeitsweisen. Routine trägt im Arbeitsalltag zur mentalen Entlastung bei und stärkt die individuelle Selbstwirksamkeit. Doch nimmt diese Arbeitsform überhand, kommt es zu erhöhten Flüchtigkeitsfehlern, Demotivation, fehlender Identifikation mit der Arbeit und Unterforderung bis hin zum Boreout. Kreative und konzeptionelle Arbeitseinheiten und das Lösen von bisher unbekannten und neuartigen Problemen und Aufgaben, also ein situiertes Lernen im Kontext von Arbeit, werden in der Regel von den Beschäftigten nicht als belastend, sondern als lernförderlich und motivierend empfunden, allerdings unter der Voraussetzung, dass folgende Faktoren gegeben sind:

  • Ein von den Beschäftigten als ausreichend wahrgenommener Handlungsspielraum in Kombination mit hinreichenden zeitlichen Ressourcen ermöglicht ein gründliches Analysieren und Ausprobieren alternativer Lösungswege, was motivierend hinsichtlich der individuellen Kompetenzentwicklung wirkt. Die Möglichkeit des selbstständigen Analysierens fördert ein problemlösendes, abstraktes und vernetztes Denken sowie die Fertigkeit, Informationen zu beschaffen und Entscheidungen zu treffen. In diesem Kontext wirkt der Freiraum, selbstgesteuert im Arbeitsprozess zu agieren und selbstgesteuert zu lernen, positiv auf das individuelle Lernverhalten, d. h. auf die Lernbereitschaft und das Engagement von Beschäftigten.
  • Vertrauen des Vorgesetzten in die Kompetenzen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und das Gefühl, Fehler machen zu dürfen, beeinflussen die Kreativität und den Mut zu unkonventionellen Lösungsstrategien positiv. Schlüsselgröße ist dabei ein positives Lernklima. Dieses äußert sich beispielsweise, indem Beschäftigte persönliche fachliche Defizite offenen ansprechen können, ohne dass negative Folgen wie z. B. Gehaltseinbußen befürchtet werden müssen. Ein ausgeprägtes Kooperations- und Partizipationsverhalten seitens der Führungskräfte wirken motivierend und erhöhen die Veränderungsenergie der Beschäftigten.
  • Regelmäßiges Feedback durch Vorgesetzte fungiert als förderlicher Begleitprozess für die individuelle Entwicklung von Kompetenzen. Das Feedback wirkt als stetiger Anstoß zur Selbstreflexion der eigenen Handlung und als Quelle neuer Ideen. Die Reflexion über sich selbst, d. h. konkret über das eigene Verhalten und Agieren im Arbeitsprozess, innerhalb des Teams oder in der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen sowie mit Kundinnen und Kunden, wirkt sich förderlich auf den individuellen Lernprozess in der Arbeit aus. Instrumente wie Mentoring, kollegiale Beratung und Community of Practice können beispielsweise diese Reflexions- und Lernprozesse gezielt flankieren.

Die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung nimmt in positiver Weise Einfluss auf die individuellen Lern- und Entwicklungsprozesse. Mit individueller Entfaltung ist sowohl formelle als auch informelle Weiterbildung gemeint, aber auch persönliche Karrieremöglichkeiten (vertikal, aber vor allem horizontal) und Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung. Die Möglichkeit zur persönlichen Entfaltung im Kontext von Arbeit wird von Beschäftigten häufig als sinnstiftend wahrgenommen. Zudem erhöhen als ausreichend wahrgenommene Entfaltungsmöglichkeiten die Veränderungsbereitschaft und -energie der Beschäftigten. Dabei gilt es, das jeweilige Lerntempo und die private Lebenssituation der Mitarbeiterin / des Mitarbeiters zu berücksichtigen. Gerade Beschäftigte, die im Privatbereich gefordert sind, z. B. durch Erziehung von Kleinkindern, Hausbau oder Pflege eines Angehörigen, können oder wollen temporär ihre Lern- und Entwicklungsprozesse nicht maximieren. Sind jedoch Zielvereinbarungen und damit auch das Gehalt an diese Lern- und Entwicklungsprozesse gekoppelt, führt dies zu Spannungen und widerständigen Handlungen und wirkt sich negativ auf die Veränderungsenergie aus.

Unternehmen haben erkannt, dass eine kompetenzorientierte Personalentwicklung kein „weicher“ Faktor ist, sondern zentral und unabdingbar, um den Herausforderungen wie Digitalisierung und Dynamisierung der Arbeitswelt begegnen zu können. Um jedoch keine „Reibungsverluste“ verzeichnen zu müssen, die z. B. durch mangelnde Abstimmung von Personal- und Organisationsentwicklung entstehen, gilt es, eine strategische Richtung innerhalb der Personalentwicklung zu finden, zu formulieren, zu implementieren und umzusetzen.

Kompetenzorientierte Personalentwicklung ist Teil der Unternehmensstrategie

Aufgrund des Fachkräftemangels können Unternehmen es sich nicht leisten, auf die Kompetenzentwicklung aller Beschäftigten zu verzichten. Neue Organisations- und Arbeitsstrukturen wie flache Hierarchien, dezentrale Organisationseinheiten und agiles Arbeiten erfordern auf allen Ebenen kompetente Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es erweist sich daher als sinnvoll, Personalentwicklung konsequent an der Unternehmensstrategie auszurichten. Zentrale Fragen einer strategieumsetzenden Personalentwicklung lauten beispielsweise:

  • Welche Unternehmens-, Führungs- und Lernkultur wollen wir wie leben?
  • Welche Ziele haben wir?
  • Welche Kompetenzbündel benötigen wir zukünftig?
  • Über welche Kompetenzressourcen verfügen wir?
  • Welche Beschäftigten wollen wir wie weiterentwickeln?
  • Wie können wir einen ganzheitlichen Lernprozess im Unternehmen ermöglichen?

Eine solche strategieumsetzende Richtung gestattet eine kompetenzorientierte Personalentwicklung, welche ein eigenverantwortliches, ganzheitliches Handeln und Lernen aller Beschäftigten ermöglicht. Damit Unternehmen die Kompetenzen der Beschäftigten effektiv nutzen können, ist es zentral, dass Kompetenzprofile im Unternehmen beschrieben werden und alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Führungskräfte in die Lage versetzt werden, Kompetenzen zu erfassen und weiterzuentwickeln.

Video: Personalentwicklung 4.0 – wie sieht die Personalentwicklung der Zukunft aus?

Dr. Stefanie Hiestand
Gastautorin

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